Bist du auch eine echte Mama?

Die Lisa-Mama gehört zu mir. Gehörst du auch zu mir?

Während ich gemeinsam mit Marlon Äpfel pflücke kommt ein sehr berührendes Gespräch auf. „Das ist für meine Lisa-Mama. Die Lisa-Mama gehört zu mir. Gehörst du auch zu mir?“ „Ja, die Lisa-Mama gehört immer zu dir. Und Ich gehöre auch gern zu dir.“ „Die Lisa-Mama ist meine echte Mama, oder?“ „Ja, das ist sie. Du bist aus ihrem Bauch gekommen und hast an ihrer Brust getrunken. Ich denk, sie hat dir was vorgesungen, wenn du traurig warst und sich gefreut, wenn du fröhlich warst.“

Mama sein bedeutet so viel mehr.
„Bist du auch meine echte Mama?“ Ich stottere: „Nein… Ähm schon, ich bin auch eine echte Mama, denn ich habe ja auch eine Tochter zur Welt gebracht.“ Mir gehen die Worte aus. Kann ich sagen, für Zuri bin ich echt, aber für dich nicht? Während ich nach einer Antwort suche, fragt Marlon: „Petra, was ist eigentlich eine echte Mama?“

Letztlich war dies meine Antwort: „Ich weiß es selbst nicht genau. Deine Lisa-Mama kann niemand ersetzen. Man hat nur eine Mama, durch die man auf die Welt kommt. Und auch wenn du sie nicht siehst, ist sie immer da. Aber sie hat keinen Körper mehr, um dich zu umarmen oder deine Tränen wegzuwischen. Und ich bin so dankbar, dass ich das übernehmen kann, was Lisa von der anderen Welt aus nicht für dich tun kann. Ich bin so gern für dich da, weil ich dich so lieb hab. Und ich glaub, das ist alles was zählt, egal ob ich deine echte Mama bin oder nicht.“ Marlon: „Lass uns diesen großen Apfel pflücken. Der sieht richtig lecker aus“ Auch wenn ich oft keine eindeutige Antwort finde, bin ich unglaublich dankbar für diese Fragen. Sie berühren mich und regen zum Nachdenken an. In unserem Alltag stellen sich viele Fragen, die wir nicht eindeutig beantworten können.

„Sieht mich Mama auch durch die Wolken? Wo ist der Himmel? Riecht Mama die Blumen, die wir ihr pflücken überhaupt?“

Ein Kind wird die Antworten finden und wir können es als Elternteil auf diesem Weg begleiten.

Doch nicht jede Frage braucht eine Antwort. Manchmal geht es viel mehr darum, dass Kinder ihre eigenen Antworten finden. „Was macht eine echte Mama aus?“ Irgendwann wird er seine eigene Antwort darauf finden. Und ich bin gespannt drauf.

Was bedeutet es Mama zu sein? Was macht eine Mama aus? Und kann man auch nur ein bisschen Mama sein?

In einer Patchworkfamily fordert das Leben zu diesen Fragen auf.
Für mich trifft es eine Geschichte sehr gut, die mich während meiner Zeit in Uganda sehr berührte. Ich hab eine Frau im Dorf gefragt wieviele Kinder sie hat. Und sie fand diese Frage äußerst merkwürdig. Ich fragte erneut und sie überlegte eine Zeit lang. Dann begann sie die Kinder in ihrem Vorhof abzuzählen und antwortete belustigt: 'Ach heute hab ich 6, gestern waren es 8. Keine Ahnung wieviele es Morgen sein werden.'

In diesen Dörfern haben Kinder viele Mamas. In unserer Gesellschaft ist dies eine sehr unübliche Ansicht von Mama sein. Leider, denn für mich ist es eine sehr berührende. Manchmal hab ich das Gefühl, dass mich mein ganzer Lebensweg auf unsere komplexe Familiensituation vorbereitet hat. Ich traf auf Kulturen, die Leben und Tod, sowie Familie, anders verstehen und das hat mich tief geprägt, denn es war ein Verständnis, das unter die Haut ging. Ich bin dankbar, dass ich diese Ansichten heute zum Teil auch hier leben darf und dadurch vielleicht die ein oder andere starre Vorstellung in unserer Gesellschaft brechen darf. Denn im Fluss mit dem Leben zu sein, bedeutet, sich von der Starre zu verabschieden und sich immer wieder neu auf das Leben einzulassen.

So viele Frauen mühen sich in unserer Gesellschaft als Einzelkämpferinnen ab und verlieren sich im unausgesprochenen Wettbewerb der besten Mamas. Es ist nicht natürlich, dass Mama sein erschöpfend ist. Was uns fehlt ist der Zusammenhalt und die Kreation von ganz neuen Ansichten wie Mama sein aussehen kann und wie Familie angesichts heutiger Herausforderungen gelebt werden kann. Wenn Frauen ihre Kraft bündeln, wird ein Zauber frei. Das Großartige ist, dass wir Normen jederzeit loslassen können und kreativ neue Muster von Zusammenleben ausprobieren können. Denn Leben ist, was wir draus machen.

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